Proponent, Koordinator:

Ass. Prof. Dr.Gerhard Fröhlich , Linz,
e-mail: gerhard.froehlich@jku.at

AG Kulturphilosophie
und Wissenschaftsforschung
im Hochschulverband Informationswissenschaft


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Einladung zur Herbsttagung der DGS-Sektion

„Wissenschafts- und Technikforschung“

vom 4. - 5. Oktober 2001 in Berlin

Handlungsträgerschaft von Technik

oder: Wieviel Eigenmächtigkeit und Interaktionsfähigkeit messen wir technischen Artefakten zu?

Dem soziologischen mainstream von Weber bis Luhmann gelten technische Abläufe und Artefakte für sich genommen als sinnfremde Vorgänge und Gegenstände und damit als außer-soziale Phänomene. Nicht die Techniken selbst, so die weit verbreitete Auffassung, sondern erst die verschiedenen Arten, in denen menschliches Handeln bzw. sinnhafte Kommunikation sich auf sie bezieht, sind Gegenstand der Soziologie. In der Techniksoziologie gibt es seit längerer Zeit Bestrebungen, diese „Exkommunikation“ der Sachen aus der Soziologie rückgängig zu machen. Waren die entsprechenden Bestrebungen zunächst darauf gerichtet, für Techniken einen ähnlichen Status als verfestigte Formen des Sozialen zu reklamieren wie für soziale Institutionen insgesamt, so rücken seit den 80er Jahren Überlegungen in den Mittelpunkt, die sich unter dem Stichwort der Handlungsträgerschaft von Technik zusammenfassen lassen. Grundlegend ist hierbei die These, dass man zu einem besseren Verständnis der gesellschaftlichen Bedeutung technischer Artefakte gelangt, wenn man diese in einer näher zu qualifizierenden Weise als (Mit-)Handelnde innerhalb sozialer Zusammenhänge thematisiert. In der radikalen Variante der Akteur-Netzwerk-Theorie hat diese These auch über die Grenzen der Techniksoziologie hinweg einige Berühmtheit erlangt. Sie schlägt vor, den menschlichen Handlungsträgern die nicht-menschlichen konzeptionell völlig gleichzustellen. Daneben finden sich aber auch eine ganze Reihe moderaterer Positionen, die von einer gradualisierten Vorstellung von Handlungsträgerschaft ausgehen. Sie erlauben es, über ein Mehr oder Weniger des Mit-Handelns technischer Artefakte zu reden und sozio-technische Zusammenhänge in entsprechender Weise als Systeme verteilten Handelns zu konzipieren. Einen neuen Schub hat die Diskussion in den letzten Jahren durch das Forschungsprogramm der Sozionik erfahren. In Zusammenarbeit zwischen Soziologie und Informatik geht es hier darum, künstliche soziale Systeme zu entwerfen und zu erforschen, deren Akteure – die in der Informatik als Agenten bezeichnet werden – Software-Programme sind.

Vor diesem Hintergrund sollen auf der Sektionssitzung konzeptionelle Klärungen vorangetrieben und empirische Forschungsarbeiten vorgestellt werden. Insbesondere die folgenden Fragenkomplexe sollen erörtert werden:

1. Wo steht die techniksoziologische Forschung bei der Konzeptionierung sozio-technischer Zusammenhänge als Systeme verteilten Handelns? Welche konzeptionellen Schwierigkeiten sind zu bearbeiten, welche Erkenntnisgewinne sind zu verzeichnen?

2. Was ist mit „Handeln“ gemeint, wenn von der Handlungsträgerschaft von Technik die Rede ist? Welche Konsequenzen ergeben sich mit Blick auf den traditionell intentional orientierten Handlungsbegriff der Soziologie?

3. Welchen Einfluss haben Forschungen aus den Bereichen der Sozionik, Robotik, Telematik u.a. auf die Frage nach der Handlungsträgerschaft von Technik?

Tagungsplan:

Donnerstag, 4. Oktober 2001

9.15 – 10.00 Werner Rammert / Ingo Schulz-Schaeffer: Einführung
10.00 – 11.00 Johannes Weiß: Technik handeln lassen (angefragt)
Pause
11.15 – 12.15 Kay Junge: Materielle Kultur und soziale Ordnung
12.15 – 13.15 Frank Hillebrandt: Technik als exkorporierte Handlungsdisposition
Mittagessen
14.30 – 15.30 Armin Grunwald: Wenn Roboter planen - Implikationen und offene Fragen einer Begriffszuschreibung
15.30 – 16.30 Holger Braun-Thürmann: Über die praktische Herstellung der Handlungsträgerschaft von Technik
Pause
17.00 – 18.00 Mercedes Bunz: Der Anteil der Dinge - Zur Rolle der Technologie bei Cyborgs, Quasi-Subjekten und anderen Mutanten
18.15 – 19.30 Mitgliederversammlung der Sektion
ab 20.00 gemütlicher Abend

Freitag, 5. Oktober 2001

9.15 – 10.15 Herbert Mehrtens: »...in the future the system must be first.« Interaktionen und Beziehungen von Menschen, Dingen und Zeichen in der frühen Betriebsrationalisierung (Taylor, Gilbreth)
10.15 – 11.15 Martin Meister: Formen einer »schwachen« Handlungsbeteiligung der Artefakte
Pause
11.30 – 12.30 Jutta Weber: Akteur-Netzwerk-Theorie, Artificial Life und die Handlungsträgerschaft der Technik
Mittagessen
14.00 – 16.30 Podiumsdiskussion: „Technik als sozialer Agent?“ mit Jost Halfmann, Karin Knorr-Cetina, Bernward Joerges, Gesa Lindemann und Raymund Werle

Tagungsort:

Technische Universität Berlin
Cranzbau, Raum CR102
Jebensstr. 1
10623 Berlin
(direkt neben dem Bahnhof Zoo)

Unterkunft:

Berlin Tourismus Marketing GmbH
Am Karlsbad 11
D-10785 Berlin030/2500-25

reservation@btm.de
http://www.btm.de/

Kontakt:

Werner Rammert / Ingo Schulz-Schaeffer schulz-schaeffer@tu-berlin.de
Technische Universität Berlin Tel.: 030/314 25381
Institut für Soziologie, FR 2-5, Fax: 030/314 73301
Franklinstr. 28/29, D-10587 Berlin