INHALT


VORWORT                                                                                     9

1. THEORETISCHE REFLEXIONEN                                                13

Kurt Luger
KULTURERLEBNIS STADT                                                            14

Rolf Lindner
STRANGER THAN FICTION:
DIE ENTDECKUNG DER STADTKULTUR                                        51

Hartmut Häußermann
URBANITÄT                                                                                  67

Hans-Peter Meier-Dallach
URBANE INDIFFERENZ
Eine Formel zu ihrer Erfassung am Fallbeispiel Zürich                       81

Walter Siebel
DIE FESTIVALISIERUNG DER STADTPOLITIK                                95

Reiner Zametzer
ACHTUNG KULTUR! VORSICHT KUNST!
Sechs Bemerkungen zum Kulturerlebnis Stadt                                103

 

2. DIE PRAXIS DER STADTKULTUR:
ERLEBNISBEREICHE, KRISEN, PROBLEMFELDER                      135

Franz Kolland
DIE STADT: LEBENSWERTE UMWELT F. ÄLTERE MENSCHEN
Pluralisierung und Polarisierung kultureller Lebensformen                 136

Ingo Mörth
INTEGRATION UND AKZEPTANZ VON AUSLÄNDERN IN LINZ
Alltagsprobleme und kulturelle Chancen 			   157
Lorenz Gallmetzer
EXTRA MUROS - DIE KRISE D. FRANZÖSISCHEN VORSTÄDTE    179
Roland Girtler
FORSCHUNGEN IN STÄDTISCHEN
RANDKULTUREN 					   189
Frank-Olaf Brauerhoch
DIE »FESTIVALISIERUNG« DES MUSEUMS 		   205
Jean-Luc Bredel
OUT OF PARIS: DIE KULTURPOLITIK DER
FRANZÖSISCHEN STÄDTE AM BEISPIEL VON LILLE 	   216
Susanne Hohermuth
STADTKULTUR IM GROSSDORF SCHWEIZ - 
KULTURPOLITISCHE PARADOXIEN DER NEUNZIGER JAHRE       221
Birgit Brandner
DAS KULTURVERHALTEN UND KULTURELLE
BEWUSSTSEIN DER SALZBURGER BEVÖLKERUNG 	   236
21 ERKENNTNISSE AUS DER STUDIE
»KULTURSTADT SALZBURG« 				   260
DIE AUTORINNEN UND AUTOREN 			   269

VORWORT

»Vielfalt und Flair« -mit diesem Werbeslogan für die Stadt Wien haben seine Schöpfer das »Kulturerlebnis Stadt« auf den Punkt gebracht. Städte waren immer schon Knotenpunkte im sozialen und kulturellen Netzwerk einer Gesellschaft und damit Raum für eine Vielfalt ökonomischer Austauschprozesse, sozialer Beziehungen und kultureller Öffentlichkeiten. In diesem Raum vollzog sich gerade auch wegen der Vielfalt städtischen Lebens der Übergang zur Moderne, und aus der Vielfalt ergab sich auch jene »Atmosphäre« der Städte, mit der sich für ihre Bewohner eine Verbesserung der Lebensverhältnisse verknüpfte (wenn schon nicht als Realität, so doch stets als Verheißung). Die Stadtluft versprach einst politische Freiheit, bot Arbeits- und Konsummöglichkeiten und signalisiert heute jene Ästhetik und jenes Flair, das die erlebnishungrigen City-Flaneure in die Glitzerwelt der Kultur-, Freizeit- und Konsumangebote lockt. (Und wenn die reale City die notwendige Imagination nicht mehr vermitteln kann, ist es die Shopping-City, deren Erlebnisqualität die Städte zu ersetzen beginnt.)

»Urbanität« - das ist jenes Konzept, bei dem sich in der wissenschaftlichen Reflexion über städtische Lebensformen die Verschränkung der objektiven Charakteristika städtischer Strukturen mit ihren subjektiven Lebens- und Erlebnisqualitäten begrifflich als zentrales Moment herauskristallisiert. Urbanität wurde in der klassischen Stadtsoziologie lange Zeit als Messgröße objektivierbarer ökonomischer und sozialer Merkmale bzw. von Funktionen der städtischen Infrastruktur gesehen. Mit Kultur wurde andererseits künstlerische Kreativität, kulturpolitische Programmatik und der Bildungsgrad des Publikums verbunden.

Heutzutage reichen Demographie oder die Beschreibung der Wirtschafts- und Politstruktur zur Erfassung und Erklärung der »spätindustriellen« Gesellschaft bei weitem nicht mehr aus. Man spricht vom Wandel der Dienstleistungs- zur Freizeit-, Kultur- und Erlebnisgesellschaft. Die Verschränkung von Lebensraum und Kultur im heutigen städtischen Leben zu analysieren ist das Anliegen dieses Buches.

Die Bestandsaufnahme der sozialen und kulturellen Realität der Städte im »neuen« Europa, das ja auch zur Arena der Konkurrenz von Kultur(haupt)städten zu werden beginnt, war von den Veranstaltern des Symposions »Kulturerlebnis Stadt«, die auch als Herausgeber dieses Bandes fungieren, auf zwei Schienen konzipiert. Einmal sollten die Forschungsinstrumente der Sozialwissenschaften (Soziologie, Kommunikationswissenschaft, Medien- und Sozialforschung) zur Erfassung der schillernden Wirklichkeit der »Kulturstädte« diskutiert, zum anderen die Realitäten der Lebensführung und der Politik in diesen Kulturstädten aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden. Diese zweifache Neuvermessung des Terrains der Städte - als Orte der Kultur, der Erlebnismöglichkeiten und der wissenschaftlichen Erforschung dieser Dimensionen - provoziert viele Fragen, auf die in den Beiträgen der AutorInnen dieses Buches keineswegs vollständige oder endgültige Antworten gegeben werden. Manche LeserInnen mögen zum Schluss kommen, dass nicht einmal alle Fragen gestellt worden sind.

Drei grundsätzliche Problemstellungen ziehen sich quer durch das Buch:

1) Was ist sinnvoller Weise unter einem Konzept »Stadtkultur« zu verstehen, um einerseits die reale Vielfalt - zwischen nachbarschaftlichem Alltag und glanzvollem Kulturfest - nicht zu verkürzen, andererseits aber nicht ins Beliebige abzugleiten? Während im Beitrag von Kurt Luger Antworten darauf gesucht werden, wo und wie die gegenwärtige vielschichtige Realität städtischen Kulturlebens fassbar gemacht werden kann, ist in den Beiträgen von Hartmut Häußermann und Heiner Zametzer die Zukunftsdimension einer neuen, emanzipatorischen Urbanität angesprochen, zu deren Schaffen die Akteure im Kulturraum Stadt aufgerufen sind.

2) Welche Methoden der Deskription und Analyse städtischer Lebenswelten, Sub- und Teilkulturen leisten dabei dem Sozialwissenschaftler die besten Dienste? Ist es die »wissenschaftlich kontrollierte Reportage«, wie sie in der Chicagoer Schule der Stadtsoziologie entwickelt wurde (siehe Rolf Lindners Beitrag), deren Grenzen zur journalistischen Reportage stets fließend sind (vgl. Lorenz Gallmetzers Momentaufnahmen aus Paris), oder ist es die intensive teilnehmende Beobachtung im Bauch der Städte, in den Sonderwelten städtischer Randkulturen, wie sie Roland Girtler vertritt? Sind es die Instrumente der quantitativ-repräsentativen Sozialforschung, deren zu Tabellen verdichtete Ergebnisse das Kulturleben einer Stadt und ihrer Bewohner verständlich machen sollen (siehe Birgit Brandners Skizze zur Kultur der Salzburger)?

3) Welche stadt- und kulturpolitischen Dimensionen tragen zu den Strukturen und Problemen unserer »Erlebnisstädte« bei, und welche politischen Schlussfolgerungen sind aus den Diagnosen zur sozialen Realität in der Stadt zu ziehen? Verkommt alles, einschließlich der Kommunalpolitik, zur mediengeilen Inszenierung (siehe Walter Siebels These der »Festivalisierung«)? Müssen alle Städte eine Fassade als kulturelle »Stadt von Welt« aufbauen um attraktiv - für Besucher, für Bewohner - zu bleiben bzw. zu werden? Zu drei Städten findet sich dazu Anschauungsmaterial: Zürich (Hans-Peter Meier-Dallach), Frankfurt (Frank-Olaf Brauerhoch), Lille (Jean-Luc Bredel). Geht dabei die Lebensqualität für die Bewohner verloren? Werden die Kulturstädte von morgen Ausformungen einer kulturellen Zwei-Drittel-Gesellschaft, die immer mehr Gruppen vom »großen« Kulturerlebnis ausgrenzt und an die Peripherie drängt: die Senioren (Franz Kolland), die Ausländer (Ingo Mörth), die kleineren Städte und die regionalen Kulturen (Susanne Hohermuth)?

Zu all diesen Fragekomplexen erwarten die LeserInnen ein Kaleidoskop an Themen und Zugängen sowie Anstöße zur Reflexion über, zum Eintauchen in und zum Engagement für das »Kulturerlebnis Stadt«.

Birgit Brandner

Kurt Luger

Ingo Mörth

im Jänner 1994